6.12. Politikwissenschaft
J: Wir, als Studierende an der Freien Universität möchten mit unserem Projekt dazu beitragen, dass Fragen der Geschlechterforschung interdisziplinär in allen Fachbereichen diskutiert werden können. Im Rahmen von #4GenderStudies und eines Seminars zur Wissenschaftskommunikation haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie wir als Studierende den Umgang mit Gender Studies wahrnehmen. Dabei ist uns aufgefallen, dass Geschlechterperspektiven nicht nur tief im zivilgesellschaftlichen Aktivismus wurzeln, sondern gleichzeitig von interdisziplinären Auseinandersetzungen leben. Das bedeutet nicht nur, dass Geschlechterforschung überall ein Fokus sein sollte, sondern auch, dass sich Gender Studies nur durch interdisziplinäre Forschung weiterentwickeln können. Dabei wird die Kategorie Geschlecht nicht isoliert betrachtet, vielmehr sehen wir die Notwendigkeit, intersektional weitere Kategorien einzubinden (wie beispielsweise Klasse oder race) und diese in Machtstrukturen eingebettet zu analysieren und zu kritisieren.
Das MvBZ hat in einer neuen OpenMic Veranstaltung verschiedene Professor*innen gefragt, inwiefern Geschlechterforschung in ihren Fachbereichen von Bedeutung ist. Wir als Studierende möchten das Projekt weiterführen und die Studierenden dieser Fachbereiche ebenfalls dazu befragen. Denn obwohl wir natürlich auch der Meinung sind, dass Geschlechterforschung wichtig ist, muss es Angebote, Raum und Offenheit geben, um die Möglichkeit für Auseinandersetzungen zu haben.
Deine Antworten werden anonymisiert veröffentlicht und dir vor der Veröffentlichung nochmal gezeigt und durch dich bestätigt. Ist das so okay für dich?
S: Das ist okay !
J: Erstmal zu dir: Was studierst du zur Zeit und an welcher Hochschule oder Uni? Im wievielten Semester befindest du dich gerade?
S: Ich komme ins vierte Master Semester für Politikwissenschaften am OSI der FU Berlin :)
J: Ok. Wir haben ja in unserer Einleitung schon angesprochen, dass es uns in unserem Projekt um Gender Studies geht, dass aber nicht "nur" Geschlecht als Analysekategorie relevant ist, sondern auch andere Themen wie Intersektionalität, andere Diskriminierungsebenen und Machtstrukturen. Inwiefern hast du dich mit solchen Themen schon beschäftigt, ob studienintern oder -extern?
S: Ich habe mich schon damit beschäftigt sowohl in meiner politischen bildungsarbeit, da ich Workshops im Themenkomplex dekolonialismus, Polizei, Sicherheit, marxismus gebe als auch in meiner politischen Praxis innerhalb meiner Organisation, die migrantisch, antifaschistisch arbeitet.
J: Hast du dich auch studienintern damit beschäftigt?
S: Auch studienintern hatte ich einige Kurse bei Prof dr caglar, die diese Methode und Linse beinhaltete, wie einen Kurs mit Kritik daran
J: Wird sich in deinem aktuellen Studium mit diesen Themen auseinandergesetzt? Wenn ja, wie stehst du zur Anzahl der Angebote und Möglichkeiten zur Auseinandersetzung? Wenn nein, fehlt etwas an der Auseinandersetzung?
S: In meinem Master wird sich nicht mehr viel damit auseinander gesetzt. In meinem Bachelor war das anders - der war auch noch kritischer. Der Master ist generell konservativer und hat weniger Angebot.
J: Prof Caglar hat im Rahmen der Open Mic Runde einen kleinen Vortrag gehalten. Sie hat ihren Vortrag mit der Frage beendet: „Welche Frage wurde nicht gestellt? Was wurde warum ausgelassen?“ Welche Fragen würdest du sagen, werden in der Politikwissenschaft an der FU nicht gestellt, die du gerne selbst stellen würdest oder gerne hättest, dass sie andere stellen?
S: Ich würde mir wünschen, dass es mehr Fokus wieder auf Theorie geben würde, um kritisches Denken zu fördern, anstatt empirisch Gegebenheiten anzunehmen.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns mehr mit den uns unmittelbar umgebenden Protesten und Bewegungen auseinander setzen würden und lernen Bedingungen dieser Zeit einzuordnen: Aufrüstung, Pandemie, Aufstieg der AfD.
Außerdem würde ich mir darüber hinaus das pflegen einer diskussionskultur wünschen und das herausfordern jeweils anderer Positionen.
Warum es kein Angebot zu Polizei/ Polizeigewalt/ und ähnlichen Themenkomplexen gibt, ist mir ein Rätsel, gerade als staatliche Institution des Gewaltmonopols wüsste ich nicht was mehr an Relevanz geben könnte, aber das liegt auch an meinem Themen Schwerpunkt :)
J: Welchen Mehrwert kann die Auseinandersetzung mit solchen Themen nicht nur in deinem Studiengang, sondern auch allen anderen Studiengängen und Fachbereichen, also fürs Studium generell, haben?
S: Sowohl euer genannter Ansatz der intersektionalität wie das Fördern theoretischer Einordnungen ist für mich kein konkreter Gegenstand oder Inhalt sondern viel eher Art und Weise des Denkens und der Erarbeitung von Dingen. Ich denke diese Form des kritischen Denkens kann uns alle, egal welches Fach, voranberingen, da es sowohl Forschungsethik ausmacht wie kritisches Denken
J: Auf welchen Ebenen wäre es nötig, Intersektionalität und Auseinandersetzungen mit Machtstrukturen zu implementieren, um diesen Mehrwert zu erreichen? Also z.B. im Syllabus, in der Studiengangszulassung, im Miteinander zwischen Dozierenden und Studierenden...
S: Das kommt drauf an was man will….
Also ich glaube nicht, dass die Uni als staatsapparat in einer vermachten Welt auf einmal perfekt aka unvermachtet sein kann.
Dass es hier Ausschlüsse gibt liegt an der „Natur des Systems“.
Das macht Reformen aber nicht weniger notwendig. Deswegen finde ich es in erster Linie wichtig, es als Inhalt in den Kursen anzuvisieren, um kritisches Denken zu fördern, mit welchem die Studierenden auch andere Räume prägen können.
Sowohl im Syllabus wie in der Zulassung wäre es notwendig, vor allem würde ich aber Schulungen auch von Profs (nicht von Lehrbeauftragten, außer die bekommen das als entlohnte Arbeitszeit) einführen.
Die Normalisierung von intersektionalität an einer staatlichen Institution nimmt ihr teilweise auch ihr kritisches Potenzial. Deswegen gilt es dann wiederum mit intersektionalität gegen intersektionalität zu denken und weiter zu schauen:)
Vor allem gilt es auch zu Kategorien zu arbeiten, die insbesondere einschränkend für den Studien Alltag sein können: mentale Gesundheit wie studieren mit Kind sollten ernster in der Entlastung genommen werden
J: Wenn du versuchen würdest, es in einen prägnanten Satz zu fassen, was können intersektional praktizierte Gender Studies positiv zu deinem Studiengang beitragen?
S: Sie können das politische dort benennen und analysieren, wo es ins private verbannt wird und damit die Politikwissenschaft neu denken.
Sie können die Vermachtung von Forschungsprojekten selbst greifen und damit Forschung verändern und lebensnäher gestalten.