Springe direkt zu Inhalt

3.2. Initiative: Studierende, Dozierende, Universität

Um ein tieferes Verständnis über die Strukturen zu erhalten, in denen Gender Studies ausgehandelt und wo die Interviewten Erfahrungen mit Gender Studies gemacht haben, schien es folglich wichtig zu betrachten, woher Studierende konkret ihr Wissen erhalten und wo Diskurse über Gender Studies geführt werden. Deshalb haben wir die Studierenden außerdem dazu befragt, wie sie zu Themen der Gender Studies gekommen sind und welche Möglichkeiten der Auseinandersetzung das Studium liefert, sowohl im klassischen Sinne, beispielsweise in Seminaren und Vorlesungen, aber auch darüber hinaus. Insgesamt zeigte sich eine klare Tendenz, dass die  Präsenz von kritischen Themen stark an Einzelpersonen gekoppelt zu sein scheint. Das Eigenengagement sowohl von Dozierenden, als auch von Studierenden(-initiativen) war für das Angebot innerhalb der einzelnen Studiengängen eine ausschlaggebende Komponente.

Aus den Interviews ergab sich, dass ein Großteil der Interviewten mit Themen der Gender Studies über Eigeninitiativen von Studierenden in Kontakt gekommen sind, beispielsweise durch Veranstaltungen von Fachschaften. Darüber hinaus organisieren Studierende sich selbst in Arbeitsgruppen und organisieren Tutorien, um kritische Themen anzusprechen, auch bezogen auf den eigenen Fachbereich, und um Räume für Auseinandersetzung zu schaffen.

Deshalb gab es an meinem Institut auch eine durch Studierende organisierte AG zu Antirassistischen Geographien, die sich eigenständig mit Rassismus, sowohl fachlich als auch am geographischen Lehrstuhl beschäftigt hat. (Interview 2)

Eine Auseinandersetzung mit einer machtkritischen Perspektive [...] gibt es (fast) gar nicht. Und wenn doch, dann oftmals eher durch/über studentische Initiativen (wie beispielsweise ein von Studis initiiertes Tutorium). (Interview 10)

Viele erste Berührungspunkte mit den Gender Studies fanden auch in (kritischen) Einführungsveranstaltungen statt, die von der Studierendenschaft organisiert wurden.

Im Rahmen des Studiums gab es auf der Erstifahrt ein paar Workshops zu genderspezifischen Themen, die ich besucht habe. (Interview 5)

Dass diese Studierendeninitiativen in mehr als der Hälfte der Interviews genannt werden, zeigt, welchen wichtigen Einfluss sie für die Studierenden gespielt haben. Die Räume zur Auseinandersetzung schaffen Studierende also oftmals selbst. Diesen Raum mit eigenen Mitteln zu gestalten, steht im Vordergrund. Dieses Ergebnis knüpft auch an einen weiteren Befund unserer Interviews an: In einigen Interviews betonen die Studierenden den Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen und aller Betroffenen:

Daher denke ich, dass ein ständiger Austausch und Vernetzung enorm wichtig sind, um diese Strukturen zu verändern. (Interview 2)

Wie sehr die Interviewten Initiative und Austausch betonten, zeigt eine starke Bereitschaft von Seite der Studierenden auf, Themen der Gender Studies Raum zu geben und diese innerhalb der Universität auszuhandeln. Welche Wünsche und Vorstellungen die Interviewten dabei konkret äußerten, folgt in 3.4.

Ein weiterer Ort, an dem die Interviewten mit Themen der Gender Studies in Berührung kamen, ist das Seminar. Drei Studierende berichteten von Angeboten in ihren Seminaren, diese waren jedoch stark an die einzelnen Dozierenden gekoppelt. Dadurch, dass Seminarleiter*innen maßgeblich entscheiden, welche Inhalte besprochen werden und anhand welcher Texte diskutiert wird, öffnet sich in der Seminarausgestaltung ein Handlungsspielraum für Dozierende.

Ob wir uns kritisch mit z.B. Intersektionalität auseinandergesetzt haben, hing in meinen Kursen oft am Engagement der einzelnen Dozierenden. (Interview 2)

Auch hier wird die Initiative Einzelner betont und nicht universitär vorgegebene Strukturen. So löblich diese Eigeninitiative auch ist, so stark birgt sie auch Risiken. Dass die Angebote zu Gender Studies und Aushandlungsräumen erst durch Einzelpersonen geschaffen werden, macht sie zu einer Optionalität und keiner Notwendigkeit. Hinzu kommt bei jeder Frage der Eigeninitiative, sowohl von Studierenden als auch Dozierenden, die Frage nach Ressourcen und Prekarität. Sowohl wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, als auch Studierende selbst sind oft in prekären Arbeitsverhältnissen und gegebenenfalls selbst von Diskriminierung betroffen. Besonders dadurch wird die Eigeninitiative zu einem Zustand, der nicht als selbstverständlich gelten kann und soll.