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3.1. Erfahrung im Studium (Ist-Zustand)

Um die Bedeutung von Gender Studies für die Studierenden in ihren jeweiligen Fachbereichen zu erheben, haben wir jede*n von ihnen nach ihren Erfahrungen, Eindrücken und ihren Meinungen zum Umgang mit den Themen Gender Studies und Intersektionalität befragt.

Übergreifend waren sich alle Studierenden über die Relevanz von kritischen Themen für ihren eigenen sowie für alle anderen Studiengänge einig. Die Relevanz wurde dabei auf vielen verschiedenen Ebenen betont. Beispiele dafür sind eine Bereicherung von Perspektiven durch kritische Themen, eine bessere Forschungsethik und ein Verständnis zu Hintergründen um die Entstehung von Wissen. Auch können kritische Themen dazu beitragen, Machtstrukturen besser zu verstehen und dadurch abzubauen. Hier zwei Beispiele:

In meinen Augen hat jedes Fach, welches sich nicht mit solchen Themen auseinandersetzt ein Defizit. (Interview 6)

Ich denke diese Form des kritischen Denkens kann uns alle, egal welches Fach, voranbringen, da es sowohl Forschungsethik ausmacht wie kritisches Denken. (Interview 13)

Die konkrete Auseinandersetzung mit diesen Themen fällt in den Studiengängen jedoch sehr unterschiedlich aus. Die Erfahrungen der Studierenden reichen von:

Es gibt mehrere Seminare zur Auseinandersetzung mit diesen Themen. Ich denke nicht, dass etwas fehlt. (Interview 12)

Bis hin zu:

Ich hab das Gefühl, es gibt sehr gute spezialisierte Seminare, die sich nischig damit auseinander setzen, aber in den großen Einführungsvorlesungen usw. fehlt das Thema Gender meistens ganz… (Interview 8)

Während die Intensität der Auseinandersetzung über die Fachbereiche sehr unterschiedlich zu sein scheint, ergibt sich aus den Interviews ein recht klares Bild, was die Verankerung von Gender Studies im allgemeinen Lehrplan der Studiengänge betrifft. Übergreifend wurde in den Interviews klar, dass Themen von Gender Studies und Intersektionalität selten bis gar nicht integraler Bestandteil des Studiums sind. Das bedeutet konkret, dass diese Themen nicht Teil der Pflichtkurse sind, sondern als optionale Angebote existieren, welche Studierende wählen können. Zwei Drittel der Interviewten beschreiben, dass es bei ihnen zwar ein Angebot gäbe, dieses aber kein integraler Bestandteil des Studiums, beziehungsweise nur optional oder beschränkt zugänglich sei.

Gender Studies und Themen der Intersektionalität nicht in den Pflichtlehrplan einzubeziehen, selektiert hierbei nicht nur die Studierenden nach ihren Interessen und Betroffenheiten, sondern führt durch die allgemeinen Rahmenbedingungen des Studiums (z.B. Zeitdruck durch Bafög oder Stipendien) dazu, dass das Belegen kritischer Lehrinhalte nicht gefördert, beziehungsweise sogar behindert wird.

Viele Studierende wünschen sich eine stärkere Verankerung dieser Themen im Lehrplan. Dieser Wunsch drückt sich unter anderem in der Eigeninitiative der Studierenden aus. Mehr hierzu im Abschnitt 3.2. Ein Drittel der Interviewten hingegen spricht von einem vielfältigen, beziehungsweise vergleichsweise guten Angebot und sieht Gender Studies als integralen Bestandteil ihres Studiums.

In einigen Fällen schilderten uns die Studierenden, dass Diskriminierung nach wie vor Teil ihres Studiums sei. Hierbei ist natürlich klar, dass auch die Universitäten nicht im luftleeren Raum schweben und sich erwartungsgemäß auch Macht- und Diskriminierungsstrukturen hier spiegeln. Klar wird hierdurch jedoch, auf welchen Ebenen Gender Studies und Intersektionalität an Universitäten eine wichtige Rolle spielen. Eine Interviewperson schilderte uns im Kontext ihres Studiums am Beispiel der Auseinandersetzung mit Femiziden im Fachbereich Jura folgendes:

Das gesamte Studium ist für mich eher darauf ausgerichtet gesellschaftliche Missstände aufrecht zu erhalten (Interview 4)

In einem weiteren Interview aus dem Fachbereich der Humanmedizin geht die Person auf den Lehrplaninhalt ein und beschreibt, wie Transfeindlichkeit weiterhin Teil der Lehre ist:

Allerdings ist die Auseinandersetzung mit der Thematik Trans, um ein Beispiel zu nennen, selbst sehr diskriminierend und von transfeindlichen Strukturen/Denkweisen durchzogen. (Interview 10)