6.3. Soziale Arbeit
M: Wir, als Studierende an der Freien Universität möchten mit unserem Projekt dazu beitragen, dass Fragen der Geschlechterforschung interdisziplinär in allen Fachbereichen diskutiert werden können. Im Rahmen von #4GenderStudies und eines Seminars zur Wissenschaftskommunikation des MvBZs haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie wir als Studierende den Umgang mit Gender Studies wahrnehmen. Dabei ist uns aufgefallen, dass Geschlechterperspektiven nicht nur tief im zivilgesellschaftlichen Aktivismus wurzeln, sondern gleichzeitig von interdisziplinären Auseinandersetzungen leben. Das bedeutet nicht nur, dass Geschlechterforschung überall ein Fokus sein sollte, sondern auch, dass sich Gender Studies nur durch interdisziplinäre Forschung weiterentwickeln können. Dabei wird die Kategorie Geschlecht nicht isoliert betrachtet, vielmehr sehen wir die Notwendigkeit, intersektional weitere Kategorien einzubinden (wie beispielsweise Klasse oder race) und diese in Machtstrukturen eingebettet zu analysieren und zu kritisieren.
Das MvBZ hat in einer neuen OpenMic Veranstaltung verschiedene Professor*innen gefragt, inwiefern Geschlechterforschung in ihren Fachbereichen von Bedeutung ist. Wir als Studierende möchten das Projekt weiterführen und die Studierenden dieser Fachbereiche ebenfalls dazu befragen. Denn obwohl wir natürlich auch der Meinung sind, dass Geschlechterforschung wichtig ist, muss es Angebote, Raum und Offenheit geben, um die Möglichkeit für Auseinandersetzungen zu haben.
Eure Antworten werden anonymisiert veröffentlicht und euch vor der Veröffentlichung nochmal gezeigt und durch euch bestätigt. Ist das so okay für dich?
J: Bin bereit :-)
M: Erstmal zu dir: Was studierst du zur Zeit und an welcher Hochschule oder Uni? Im wievielten Semester befindest du dich gerade?
J: Ich studiere Soziale Arbeit an der ASH in Berlin und komme jetzt ins 3. Semester
M: Wir haben ja in unserer Einleitung schon angesprochen, dass es uns in unserem Projekt um Gender Studies geht, dass aber nicht "nur" Geschlecht als Analysekategorie relevant ist, sondern auch andere Themen wie Intersektionalität, andere Diskriminierungsebenen und Machtstrukturen. Inwiefern hast du dich mit solchen Themen schon beschäftigt, ob studienintern oder -extern?
J: Ich denke, dass diese ganzen Themen mir immer mal wieder begegnet sind bzw. begegnen - z.B. während meines FSJs oder bei verschiedenen Praktikas oder auch im privaten Umfeld. Expliziter damit beschäftigt, habe ich mich aber erst an Uni. Dort sind diese Themen in verschiedenen Seminaren immer wieder Bestandteil.
M: Wird sich in deinem aktuellen Studium mit diesen Themen auseinandergesetzt? Wenn ja, wie stehst du zur Anzahl der Angebote und Möglichkeiten zur Auseinandersetzung? Wenn nein, fehlt etwas an der Auseinandersetzung?
J: Ich würde sagen, dass sich definitiv am meiner Uni damit auseinandergesetzt wird und zwar in verschiedensten Seminaren und Vorlesungen. Ich habe den Eindruck, dass es einen großen Teil an Dozierenden gibt, die dies bewusst immer wieder mit einbauen und eine Sensibilität für die Thematik aktiv fördern.
M: Könntest du mir ein Beispiel nennen, an dem du erkannt hast wieso die Auseinandersetzung mit Geschlechterforschung und/ oder Intersektionalität und den Themen deines Studiengangs wichtig ist?
J: In meinem Studium geht es ja in erster Linie um Menschen. Es geht darum mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen kommend zu arbeiten und zu unterstützen. Daher ist die Auseinandersetzung damit zwingend notwendig, denn nur so kann man richtige Unterstützungsformen wählen, gegen Ungerechtigkeiten und Diskriminierung politisch werden und Menschen auch wirklich in ihrer gesamten Lebensrealität sehen.
Die Wichtgkeit des Themas Intersektionaliät in diesem Kontext fällt mir z.B. bei dem Thema Menschen mit Behinderung immer wieder auf.
M: Welchen Mehrwert kann die Auseinandersetzung mit solchen Themen nicht nur in deinem Studiengang, sondern auch allen anderen Studiengängen und Fachbereichen, also fürs Studium generell, haben?
J: Ich denke, dass eine Auseinandersetzung und ein Bewusstsein für diese Themen in jedem Studiengang wichtig ist. Die Thematik ist ja Professionsübergreifend und betrifft alle Menschen. Daher ist es auch ganz egal in welchen Bereich man später oder aktuell arbeitet oder welches Fach man studiert. Es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Thema, das ja außerdem auch in jedem Bereich wiederzufinden ist (z.B. im Beruf, Bildung,..) Wenn sich zudem Dinge auch wirklich ändern sollen, dann muss ein Bewusstsein und eine Aufmerksamkeit für diese Themen geschaffen werden und dafür ist es sehr sinnvoll in allen Bereichen schon während des Studiums Menschen dafür zu sensibilisieren.
M: Der Mehrwert eine Implementierung ist also dass sich Dinge ändern und ein Bewusstsein geschaffen wird. Könntest du das konkretisieren? Wie sähe eine Veränderung aus?
Bezogen auf die Soziale Arbeit und/oder Universitäten im allgemeinen
J: Eine Veränderung sähe für mich erstmal so aus, dass sich das Denken von Menschen ändert, durch zusätzliches Wissen (zu den Themen Gender Studies, Intersektionalität,...) und dass sie dadurch z.B. erkennen in welchen gesellschaftlichen Machtverhältnisse sie leben und worauf diese begründet sind. Gerade in der Sozialen Arbeit (aber auch in allen anderen Bereichen) ist es einfach sehr wichtig, soziale Konstrukte zu erkennen und sich diese bewusst zu machen, um so Diskriminierung effektiv zu bekämpfen.
M: Auf welchen Ebenen wäre es nötig, Intersektionalität und Auseinandersetzungen mit Machtstrukturen zu implementieren, um diesen Mehrwert zu erreichen? Also z.B. im Syllabus, in der Studiengangszulassung, im Miteinander zwischen Dozierenden und Studierenden…
J: Ich finde, dass die Beispiele die du dort aufgezählt hast alle sehr sinnvoll klingen. Ich denke aber, dass es besonders wichtig ist, dass diese Auseinandersetzung auch ganz praktisch an der Uni vollzogen wird (z.B. durch das Miteinander der Dozierenden und Studierenden). Am Ende bringt es nämlich absolut keinen Mehrwert, wenn es sich bei der Auseinandersetzung dieser Themen nur um theoretische Seminar-Ansätze handelt, die nicht in der Praxis angewandt werden.
M: Wenn du versuchen würdest, es in einen prägnanten Satz zu fassen, was können intersektional praktizierte Gender Studies positiv zu deinem Studiengang beitragen?
J: Sie können dafür sorgen, ein gesamtheitlicheres und realtätsbezogenes Bild von Lebenssituationen zu erkennen und somit, als zukünftige Sozialarbeitende, Menschen besser unterstützen zu können.